Am 17. Juni 1953 arbeitete mein Vater wie immer im Malergeschäft seines Vaters Willi Barth. Im Radio wurde von Unruhen und Demonstrationen berichtet. Am Nachmittag kam Dieter, ein Malerlehrling, zu uns. Ich spielte auf dem Hof. Dieter fragte nach meiner Mutter. Ich rief sie und hörte, wie er zu ihr sagte: »Frau Barth, Ihren Mann haben die Russen mitgenommen.« Meine Mutter war geschockt und starrte ins Leere, ehe sie leise fragte: »Dieter, wieso denn das?
Seit Anfang September war ich (damals 16) nun hier, und bisher wars auch ganz gut so, hier; Die kurz nach Beginn des kalten Krieges einsetzendn Bemühungen um die sog. deutsch-französische Freundschaft waren auch an meiner Schule nicht spurlos vorrübergegangen, und ich hatte - nachdem meine Eltern sich jahrelang erfolglos bemüht hatten - mich endlich nach einem 14-tägigen Besuch von Franzosen an unserer Schule bereit erklärt, ein dreimonatiges Gastspiel an der “Ècole Internat Rudolph Steiner Laboissiérre-en-Théle” zu wagen.
Ein fremdartiges Brummen, Dröhnen lag in der Luft, die Fensterscheiben zitterten. Sie stürzte zum Fenster und sah aus ihrer luftigen Höhe aus dem dritten Stock in der Warschauer Str. 165 in Ost-Berlin, Panzer durch die Straße rollen. Voller Freude entdeckte sie kyrillische Buchstaben. Das sind russische Panzer, dachte sie, da fahren Russische Soldaten, mit denen kann ich endlich mal wieder Russisch sprechen. Vielleicht ist ja auch einer aus Leningrad dabei.
Um 1984 lernten wir in den vierten Klassen der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen der DDR für den Frieden. Bewaffnet waren wir fast immer. Unsere Waffen waren vor allem Stöcke, Handfeuerwaffen oder Lockenwickler mit Luftballons hinten dran. Aus den Lockenwicklern konnte man mit Erbsen schießen. Für den Getroffenen war das in aller Regel schmerzhaft aber ungefährlich. Nur wenn es mal ins Auge ging, war es schmerzhaft und gefährlich. Die Munition ging uns nie aus.
Vorher und nachher ist es immer dunkel. Wegen der Nacht. Damit aber die dort wissen, wo oben und unten ist, haben sie sich die ganze Grenze hell erleuchtet. Für das Oben haben sie kleine Türme gebaut, in denen sie sitzen und herunter schauen können. Für das Unten haben sie sich einen Liegespiegel mit Rollen und einer langen Stange dran gebastelt. Da müssen sie sich nicht auf den kalten und dreckigen Boden legen und können trotzdem das Auto von unten sehen.
Im April 1989 besuchte ich meine Freundin Margot in der DDR, die mich zu sich in die kleine brandenburgischen Stadt zur Jugendweihe ihres Sohnes Christian eingeladen hatte. Die DDR kannte ich fast nur aus der Zeitung. Nur auf kurzen Urlaubsreisen hatte ich eigene Eindrücke gewonnen. Das »bessere Deutschland« wollte es sein, zumindest war dies der Anspruch vieler seiner Bürger. Und nun hatte ich die Gelegenheit, eine Jugendweihe zu erleben, eine Zeremonie, die aus jungen DDR-Bürgern vollwertige Mitglieder des sozialistischen Staates machen sollte.
Eine Polemik Wie vermisse ich diesen Satz, vermisse dieses Signal des Stammtisches, der großformatigen Zeitung, diese weiße Fahne der Dummheit, die immer dann aufgezogen wurde, wenn die Argumente nicht mehr ausreichten. Nicht, daß ich diesem Rat gefolgt wäre. Der Unterschied zwischen “Real existierendem Sozialismus” und “Kapitalismus mit menschlichem Antlitz” war mir sehr wohl bekannt. “Im Kapitalismus beutet der Einzelne die Massen aus. Im Sozialismus ist es genau umgekehrt.” Treffender als in diesem alte DDR-Witz kann niemand beschreiben, was östlich der Elbe lief.
Der Arzt kam diesmal ohne Mundschutz. “Ansteckend sind Sie nicht”, sagte er. Aber davon fühlte ich mich auch nicht besser. Ich wußte, daß ich schwer krank war, wahrscheinlich schwerer, als ich überhaupt wissen wollte. Abgesehen von meiner Schwäche und den diffusen körperlichen Beschwerden gingen merkwürdige Dinge in mir vor. Vertraute Worte fielen mir entweder nicht mehr ein, oder ich konnte keine Verbindung zu ihrer Bedeutung herstellen. Die eigene Telefonnummer war mir entfallen.
Roman Leseprobe: Daß etwas Altes, Erneuerungsbedürftiges in unserem Land zu Ende ging, merkte ich deutlich und ganz persönlich bei unseren monatlichen Frauentreffen. Jedesmal fehlten mehr. Das war kein Wunder. Regelrecht vernarrt war ich in das Feindbild unserer politischen Gegner; und so drehte sich unsere Diskussion im Kreis, war unproduktiv. Ich konnte ihnen weder das politisch gute Gefühl, noch das vereinsmäßig gute Gefühl, das Gefühl der Geborgenheit, des Aufgehobenseins erhalten. Am Ende blieb Leere und Hohlheit in den Worten, in den Gedanken.