Das Leben, eine bloße Erfindung unseres Gedächtnisses?

Gedächtnisforscher warnen vor falschen Erinnerungen. Die Hirn- und Gedächtnisforschung hat in den letzten Jahren wichtige Fortschritte gemacht und herausgefunden, dass man seinen eigenen Erinnerungen nicht immer trauen darf.

In einem Artikel in Spiegel Online beschreibt Marion Rollin wie das Gedächtnis wichtige Ereignisse verzerrt, bestimmte Einzelheiten selektiert und andere wiederum ausblendet. Selbst völlig erfundene Erinnerungen, die der Betroffene für tatsächlich erlebte Geschichte hält, sind möglich. So ist es Gedächtnisforschern sogar gelungen Probanten Erinnerungen mit ganz einfachen Mitteln zu implantieren. Es genügte, den Teilnehmern einer Studie manipulierte Fotos aus ihrer Kindheit vorzulegen, auf denen sie bei einer Ballonfahrt zu sehen sind. Die Hälfte der Befragten konnte sich hinterher ganz genau an die Ballonfahrt erinnern.

Besonders interessant im Zusammenhang mit dem Generationenprojekt ist die Tatsache, dass unser individuelles Erinnern kollektiv arbeitet. So sagt Harald Welzer, Sozialpsychologe und Leiter der Gruppe “Erinnerung und Gedächtnis” am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen, dass das Gedächtnis zawr das Ich forme, Erinnerung sich aber erst in der Gemeinschaft bilde, in der Kommunikation mit anderen. Welzer spricht vom “kommunikativen Gedächtnis”. Ein Ereignis sei nicht das, was passiert sei, sondern das, was erzählt werden könne.

In die Schlagzeilen kam dieses Phänomen, des kollektiven falschen Erinnerns, als ein Historiker über die Bombenangriffe auf Dresden sprach. Im Saal saßen viele Menschen, die sich sehr detailliert daran erinnern konnten, wie britische Tiefflieger in der Stadt Jagd auf flüchtende Menschen machten. Als der Historiker ihnen nachwies, dass dies aufgrund der Luftturbulenzen durch den Feuersturm gar nicht möglich war und auch die historischen Kriegsprotokolle (Einsatzpläne, Bordbücher etc.) dies nicht erwähnten, brach ein Sturm der Entrüstung los. Eigene Erlebnisse mit Tieffliegern und Berichte darüber hatten sich zu einer echten Erinnerung vermischt.

Diese nicht mehr ganz neuen Erkenntnisse der Gedächtnisforschung schmälern sicher nicht den Wert der hier im Generationenprojekt veröffentlichten Erinnerungen, aber man sollte bei der Lektüre immer im Gedächtnis behalten, dass wir – wie die Hirnforschung herausgefunden hat – unser Leben jeden Tag neu erfinden.

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